Wagner für junge Leute – „Der Ring ohne Worte“ in der Elbphilharmonie
NDR Jugendsinfonieorchester, Stefan Geiger, Elbphilharmonie Hamburg
Von Susanne Ehrlich
Verden. Die Neunte Sinfonie von Gustav Mahler in Verden zu erleben, ist an sich schon eine Sensation. Dass sich das Landesjugendorchester Bremen, ein Projektorchester, in dem begabte Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 13 und 25 Jahren mitwirken, einer solchen Herausforderung stellt, ist die zweite.
Und was dessen Dirigent, Stefan Geiger, mit diesem riesigen und blutjungen Ensemble anstellte, welch musikalische Geschlossenheit, Wahrhaftigkeit und Leidenschaft er entband – das war ein Ereignis von derartiger Intensität, dass am Ende nicht nur das Publikum, sondern auch die Musiker selbst tief erschüttert waren.
Vor dem Konzert hörte man einen Besucher seine Begleiterin fragen: „Warum gerade die Neunte? Zu Ostern hätte doch viel besser die Zweite Sinfonie ‚Auferstehung‘ gepasst“. Und auch eine gewisse Neugier war zu spüren: Würden diese jungen Musiker den geistigen Gehalt einer Musik erfassen können, die den Schlussstrich unter ein an Erfüllung und Leid so
übervolles Leben zieht?
Bereits die ersten Takte lösten jedes Fragen auf. Aus einer weichen Klang-Landschaft, aus der die einzelnen zart getupften Melodiefragmente wie reinste Blüten emporwuchsen, entwickelte sich das klagende Hauptthema, gespeist aus Todesangst und Todessehnsucht. Da konnte das Publikum schauen und lauschen, wohin es wollte, stets erlebten die Zuhörer äußerste Konzentration und Präzision. Selbst die leisesten Streicherpassagen, so zart, dass die Saite eben erst anzusprechen beginnt, waren klar definiert und voller Ausdruckskraft, die klanggewaltigen Tutti absolut differenziert und niemals zerfließend, jedes einzelne Solo von einem Könner, mit Reinheit und Empfindsamkeit musiziert. Die Differenziertheit reichte von den tausenden rhythmischen und dynamischen Details dieser gewaltigen Partitur über die ganz speziellen Klangvisionen von gestopften, unwirklichen Bläserklängen, schroffen und spröden Strichen und dem geordneten Chaos der wilden polyphonen Passagen bis hin zum mystischen Zusammenfinden in reinster, aus einem Atem gesungener Harmonie.
Eben ein Klang-Kosmos, eine Wanderung an allen tonalen und formalen Grenzen – nicht von ungefähr besitzt dieses Werk keine Tonart-Bezeichnung und folgt auch keiner anderen vertrauten sinfonischen Struktur – jedenfalls nie für längere Zeit. Gedankensprünge, krasse Brüche, himmlische, plötzlich ersterbende Schönheit, das alles schleuderte das Publikum auf seinen sicheren Bänken von einem emotionalen Extrem ins andere – und die jungen Musiker mussten es erzeugen und sich dem ungeheuren Geschehen gleichsam im Auge des Sturms ausliefern.
Und was gab es dabei auch noch alles zu sehen. Die Basstuba wurde immer wieder gestopft mit einem Stopfen, groß wie eine Regentonne. Zwei imposante Harfen nahmen sich in dieser Fülle fast bescheiden aus. Das gewaltige Schlagwerk, das vier Musiker bedienten, machte immer wieder Staunen mit seinen vielfältigen, präzisen und kraftvollen Akzenten. Kaum fassbar, wie ein Dirigent all diese Abertausende von Einzelheiten in sich aufzunehmen und so bewusst, so deutlich an seine Musiker weiterzugeben in der Lage sein kann. Stefan Geiger hielt symbiotischen Kontakt mit diesem riesigen Klangkörper, durch Blicke und Lächeln, durch Nicken und kleine Fingerzeige kommunizierte er unablässig, und jede seiner Weisungen war befolgt, ehe man sie überhaupt recht wahrgenommen hatte.
Nach den Turbulenzen der beiden Mittelsätze, ironisch und grotesk bis ins Furiose gesteigert der eine, unglaublich raffiniert wie ein kompositorischer Meisterkurs in Beispielen der andere, erklang nach einer kurzen Atempause der unvergleichliche Abgesang des vierten Satzes, der in seiner erhabenen Schönheit alle großen Fragen zugleich stellt und beantwortet.
Ja, auch das ist ein wesentlicher Teil der Osterbotschaft: Dass es am Ende des Lebens- und Schaffenszyklus‘ nur darauf ankommt, was unvergänglich bleibt. Der Geist besteht und ersteht aufs Neue, wie es Gustav Mahler hier beweist, und dass auch diese so jungen Menschen ihn bis ins Tiefste begreifen und weitertragen konnten, war das eigentliche Wunder dieses Osternachmittags.
Schon während des Finalsatzes sah man einige der Musiker in Tränen. Nach einer beeindruckend langen Pause, in der Musiker und Publikum sich innerlich an den Händen hielten, gab der Beifall von seiner Dauer her einen stattlichen „fünften Satz“, und dann konnte man all diese jungen Menschen sich mit Freude und Erschütterung in den Armen liegen sehen.
Fritz Langs monumentaler Stummfilm „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 hat Kultstatus. In einer futuristischen Großstadt prallen zwei Welten aufeinander: Der Glamour der Oberwelt, regiert von Konzernbesitzer Joh Fredersen (Alfred Abel), trifft auf die Maschinenhölle der Unterwelt, in der sich Tausende zu Tode schuften.
Die Arbeiter, mit leeren Blicken und mit mechanischen Bewegungen, erinnern hier bereits selbst an seelenlose Maschinen. Das „Oben“ funktioniert aber nicht ohne das „Unten“, denn beide Welten brauchen Strom und Energie. „Metropolis“ prangert die Maschinengläubigkeit der damaligen Zeit an, die Polarisierung und drohende Roboterisierung einer Gesellschaft – auch heute noch aktuelle Themen.
Als einer der teuersten Filme aller Zeiten und erster Science-Fiction-Film in Spielfilmlänge hat „Metropolis“ Generationen von Filmemachern beeinflusst. (…)
Das Philharmonische Orchester Würzburg hat den Film im gut besuchten Mainfranken Theater in voller Länge gezeigt – live begleitet von Gottfried Huppertz originaler Orchestermusik unter Dirigent Stefan Geiger. Die Musik orientiert sich oft an der romantischen Orchestertradition des 19. Jahrhunderts. An zarten Stellen klingt Richard Wagner an, in kämpferischen Szenen stampft das mittelalterliche Dies-Irae-Motiv durch den Orchestergraben.(…)
(…) Die ausgewählte Filmmusik von Carl Davis, geboren 1936 in New York und bekannt für seine Nachvertonungen alter Stummfilme, erklingt unter der Leitung von Stefan Geiger präzise und mit der angemessenen klanglichen Zurückhaltung. Eine derart „dienende“ Musik muss über weite Strecken im Hintergrund bleiben, um unauffällig Atmosphäre und Spannung zu erzeugen und nicht vom Bildgeschehen abzulenken.
Davis lenkt die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit lustvoll klischeebeladener Musik: Trommelwirbel und Streicherdissonanzen künden raunend Unheil an, eine sehnsüchtige Weise in Mundharmonika und Solovioline untermalt keusche Liebesszenen, düstere Trauer- und tumbe Triumphmärsche, patriotische Lieder und Militärmusiken mit schriller Piccoloflöte bieten die Kulisse für Verfolgungsjagden auf dem Schienenweg. Einer der Höhepunkte des Films – und auch hier ist alles echt – gilt als teuerste Einzeleinstellung der Stummfilmära: Die feindliche Lokomotive überquert eine brennende Brücke und stürzt in den Fluss. Der aufwendig produzierte „General“ bescherte Buster Keaton zwar einen saftigen finanziellen Misserfolg, gilt aber als sein bekanntester und bester Film.
Stefan Geiger estreia como maestro da Orquestra Sinfônica do Paraná
Alemão é “uma surpresa” e rege de forma “mais moderna”
O maestro alemão Stefan Geiger foi eleito regente titular pelos músicos da Orquestra Sinfônica do Paraná (OSP) em 2015, depois de um processo de escolha que levou cerca de um ano e meio e considerou outros cinco nomes. Ele se apresentou com a orquestra no ano passado, em 2014 e 2012.
Nascido em 1967, Geiger é trombonista da Orquestra Sinfônica da Rádio do Norte da Alemanha desde 1991 e regente e diretor artístico da Orquestra Jovem de Bremen desde 1996.
O novo maestro titular vai reger cerca de metade dos concertos da OSP em 2016.
“Ele foi eleito pela competência e pela forma com que enxerga a regência – muito mais moderna do que se vê normalmente”, …
Angenehmer Schwebezustand
von Ilja Stephan
Stefan Geiger ist Solo-Posaunist bei den NDR Sinfonikern. Jetzt dirigiert er seine Kollegen
Erfahrene Konzertgänger kennen das Gesicht von Stefan Geiger seit über 20 Jahren. Als Erster Solo-Posaunist des NDR Sinfonieorchesters sitzt er seit 1991 in der Riege des schweren Blechs hinten rechts auf dem Podium der Laeiszhalle. Wer eine Extraportion Neugierde für ungewöhnliches Repertoire mitbringt, kennt Geiger aber auch noch in einer anderen Funktion – ganz vorne auf dem Dirigentenpult. Als Spezialist für Zeitgenössisches in der Reihe “das neue werk”, als Leiter bei groß besetzten Kammermusikwerken oder bei Filmmusiken ist Stefan Geiger beim NDR Sinfonieorchester der Dirigent für besondere Aufgaben. Kommenden Freitag und Sonnabend ist es wieder so weit. Wenn der Stummfilmklassiker “Ben Hur” von 1925 auf Kampnagel über die Leinwand flimmert, sorgt Stefan Geiger dafür, dass die Live-Klänge seiner Kollegen und das Wagenrennen auf Zelluloid synchron sind.
Das Verhältnis von Orchestermusikern zu den wechselnden Dirigenten, die beinahe im Wochenrhythmus kommen und gehen, ist naturgemäß heikel. Geiger kennt beide Seiten und bemüht sich hörbar um Ausgewogenheit: “Natürlich sieht man Dirigenten kritisch – das tun alle Orchesterkollegen. Im besten Fall wird man durch die eigene Dirigiererfahrung nachsichtiger. Man weiß um die Unbilden vor, während und nach den Proben.” Doch auch als langjähriger Orchestermusiker kann er noch so richtig von Dirigenten schwärmen. Vom 86-jährigen Herbert Blomstedt etwa, mit dem er gerade geprobt hat, und von dem Erfahrungsschatz, den Dirigenten wie er in den Jahrzehnten erworben hätten.
Geigers eigene Dirigentenlaufbahn begann mit einem Kapellmeisterstudium, und sie wäre vielleicht gradliniger verlaufen, wenn ihm der Erfolg als Posaunist nicht dazwischengekommen wäre. Mit 23 erhielt er seine erste Stelle an der Bayerischen Staatsoper, ein Jahr später kam er als Solo-Posaunist zum NDR. Zwei Jahre lang spielte Geiger beim Ensemble Modern, und zusammen mit drei Kollegen erkundete er die alte Form des Posaunenquartetts und die historische Aufführungspraxis. Nur der Jazz blieb bei ihm ein (fast) weißer Fleck auf der musikalischen Landkarte: “Damit kriegen Sie mich nicht. Natürlich habe ich mal in einer Funk-Band gespielt – aber das war nur wegen der Mädels.”
Dass er als Orchestermusiker glücklich ist, daran lässt Geiger keinen Zweifel. Doch wenn er über seine Arbeit als Dirigent redet, fällt immer wieder ein Wort: “Entwicklungsmöglichkeiten”. So entschloss er sich trotz fester Stelle in einem A-Orchester, seinen Kapellmeisterabschluss nachzuholen und sich auf seine Dirigierkompetenz Brief und Siegel geben zu lassen: “Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, dass ich einer dieser Musiker bin, die auch das Dirigieren anfangen.” Direkt nach seinem Abschluss übernahm er die Leitung des Landesjugendorchesters Bremen. Dort realisiert Geiger nun seit 17 Jahren mit den jungen Nachwuchsmusikern Projekte, die ihm besonders am Herzen liegen. Musik zu Stummfilmen ist einer der Schwerpunkt, die Geiger in Bremen gesetzt hat. In rund 40 Vorstellungen hat das Landesjugendorchester seit 1997 die Soundtracks zu zehn Filmen gespielt. Und im August 2013 hat man in Kooperation mit einem kommunalen Kino sogar ein “Charlie-Chaplin-Festival” auf die Beine gestellt. Für Dirigenten, so versichert Geiger, ist Live-Filmmusik eine Herausforderung der besonderen Art: “Filmmusik erfordert ein Zigfaches an Vorbereitungsaufwand. Da gehört schon ein gewisser sportlicher Ehrgeiz dazu.” Ein anderes Ziel von Geigers Ehrgeiz ist die zeitgenössische Musik. Und die entwickelt sich heute auch auf einem Gebiet, das sonst eher ein rotes Tuch für geplagte Eltern ist: Computerspiele. Auf die erstaunte Nachfrage des Interviewpartners versichert der Vater von drei Jungs zwischen sieben und 13: “Es gibt wenige gute Komponisten von Computerspielmusik, aber es gibt sie.” Wer etwa die avantgardistische und atmosphärisch dichte Musik kennt, die Garry Schyman für die düstere “BioShock”-Saga geschrieben hat, kann ihm nur beipflichten. Und so konfrontierten Geiger und sein Landesjugendorchester beim German Gamemusic Award 2012 ein begeistertes, junges Publikum mit Klängen, die man sonst eher im Elfenbeinturm erwarten würde, während der Kultursender arte das Konzert live im Internet streamte. Den Gewinner des Gamemusic Award 2012, Dominik Schuster, hat die traditionsreiche Wiener Universal Edition inzwischen sogar in ihr Verlagsprogramm aufgenommen.
Ähnlich avantgardistische Klänge müssen die Besucher des Konzerts auf Kampnagel nicht fürchten. Im Gegenteil, für seine Nachvertonung des aufwändigsten Stummfilms aller Zeiten bediente sich der Komponist Carl Davis bei Wagner und Strauss: Gleich in den ersten Takten seines Ben-Hur-Soundtracks spielt Davis auf den bierwerbungserprobten Anfang von “Also sprach Zarathustra” an und lässt jenes traditionelle “Dresdner Amen” vorüberziehen, mit dem schon Mendelssohn und Wagner ihren Werken musikalisch den Heiligenschein aufsetzten.
Stefan Geiger wird der großsymphonische Tonfall sicher recht sein, denn wer ihn über Bruckner-erfahrene Altdirigenten schwärmen hört, ahnt, wohin es ihn zieht. So gibt er auch sicherheitshalber zu Protokoll: “Ich möchte nicht nur auf Filmmusik oder nur auf Neue Musik festgelegt werden.” Ob und wann er den Absprung in eine hauptberufliche Dirigentenlaufbahn wagen will, lässt Geiger offen. Seine jetzige Situation sei, so sagt er, eigentlich ein ganz “angenehmer Schwebezustand”.
Anca Florea
(…) Ein paar Abende später, fand im Athenäum ein einmaliges und reizendes Erlebnis statt, die Aufführung des ersten Animationsfilmes der Geschichte – Die Abenteuer des Prinzen Achmed, das 1926 von Lotte Reiniger fertiggestellt wurde, mit der musikalischen Interpretation der “Live”- Musik, das speziell von Wolfgang Zeller entworfen, und nun vom Rumänischen Jugendorchester mit dem Dirigent Stefan Geiger umgesetzt wurde. (…)
Auch die angenehme Musik passte sich an die Absicht der Schöpferin an, ein Thema, dass sich sozusagen als Leitmotiven quer die gesamte post-romantische Partitur durchzog, das abwechselnd zwischen dramatischen und lyrischen Seiten in exzellenter Entfaltung von jungen Instrumentalisten verwirklicht wurde. Dabei wurde auch sichergestellt, dass die Flexibilität und Expressivität, mit denen das Werk noch mehr an Attraktivität gewann und folglich lange applaudiert wurde, dank des Gastdirigenten, der durch seine Gestik und besonders seine Arbeitsmoral an den Probetagen alle bezauberte. (…)
Ecaterina Stan
(…) Am Samstag, dem 2. und am Sonntag, dem 3. April gab das nationale Jugendorchester zwei völlig unterschiedliche Konzerte.
Das erste Konzert, dirigiert von Stefan Geiger (…), fand im Athenäum statt und begleitete die Premiere des Animationsfilms Die Abenteuer des Prinzen Achmed. (…)
Auf Anfrage des Goethe- Institut Bukarest wurde die Konzertaufführung zusammen mit Marin Cazacu organisiert und durch das Bürgermeisteramt Bukarest unterstützt.
Ich konnte einer Interpretation von unglaublicher Qualität lauschen. Das Orchester folgte gewandt den Gesten des talentierten Dirigenten. Die aus dem ganzen Land angereisten jungen Musiker spielten nahezu perfekt! Homogen, fließend, ohne Holprigkeit! Sie waren Poeten, Dramatiker, … so wie es sich gehört! (…)
Der Film an sich zählt zu den Anfängen der Trickfilme. Lotte Reiniger (1889-1971), die Macherin des Films ist eine Legende auf diesem Gebiet. In den Jahren des Stummfilms war die Begleitung live, und deswegen war auch die Wiederbelebung dieser Gepflogenheiten im Saal des Athenäums so ergreifend. Deutschland versteht es, in Kultur und in die Erhaltung von Werten, ganz gleich auf welchem Gebiet, zu investieren!
Die Abenteuer des Prinzen Achmed schlägt für das nationale Jugendorchester eine neue Seite in ihrer Geschichte auf, wie kurz sie auch sein mag, so intensiv ist sie. (…)
Mahler in Bestform
Landesjugendorchester spielt 5. Sinfonie in der Glocke / Begeisterung beim Publikum
… “Wie ausgebuffte Profis waren die jugendlichen Akteure [des Landesjugendorchesters Bremen] dabei, folgten aufmerksam und mit Elan dem mitreißenden, detaillierten Dirigat von Stefan Geiger. Die Einsätze resultierten punktgenau und sicher, das Klangbild erwies sich als durchweg stabil und homogen. In dynamischer Hinsicht präsentierte sich das Orchester als überaus wandlungsfähig. Mit einem derart großen Apparat die Wände beben zu lassen, war dabei die leichtere Übung. Viel schwerer ist es dagegen, nuancierte Abstufungen zu finden, und mehr noch: ein fragiles, dennoch tragfähiges Pianissimo zu intonieren. Doch wie atemberaubend schön gelang das bei Schuberts Andante. Von Streichern und Holzbläsern mit Sentiment sauber angestimmt und subtil phrasiert, mutete dieses wie ein warmes stilles Leuchten an. Und noch intensiver: die tiefe Trauer, das “Der-Welt-abhanden-gekommen-Sein”; in Mahlers berühmtem Adagietto, bei dem Harfen- und Streicherklänge mit expressivem Spiel das Herz anrührten… Eben noch scheinbar ungestörte Idylle, dann urplötzlich Chaos, Katastrophenszenario und blankes Schaudern vor der Zerrissenheit der Welt; laut Satzbezeichnung “mit größter Vehemenz” auszuführen. All das geriet dank exakter Spielweise sicher und blieb dabei sogar im dicksten orchestralen Tohuwabohu noch gut durchhörbar: Besser geht es kaum. Das Publikum bedankte sich mit frenetischem Beifall.”
Prinz Achmed verzaubert mit Geist, Komik und schönen Bildern
(…) Geiger lotste das Orchester mit präzisen, uneitlen Gesten durch die komplexe Partitur und die Tücken der Filmbegleitung. So ein Film ist eigensinniger als jede Diva. „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ hat aber jedes Recht eine Diva zu sein, so geistreich ist die Handlung, von solcher Schönheit sind die Bilder. Märchenhaft.
In der Musik von Sofia Gubaidulina wird der Klang zum Drama. So war es ein Schauspiel für sich, die Komponistin bei dem Konzert zu beobachten, das der NDR aus Anlass Ihres 78. Geburtstages in der Reihe „das neue werk“ gab.
Gespannt bis in die Fingerspitzen, mit unablässig arbeitenden, zu Fäusten geballten Händen folgte die Jubilarin ihrer Musik und fieberte mit jeder Note. Dabei bestand zum Daumendrücken kein Grund: Die NDR-Sinfoniker unter der präzisen und souveränen Leitung von Stefan Geiger waren glänzend disponiert.(…)
5. Sinfoniekonzert in der Musikhochschule
Philharmonische Höchstleistungen
Es ist ein Jammer, dass Stefan Geiger kein Kandidat für den bald neu zu besetzenden Posten des Würzburger Generalmusikdirektors ist. Denn wie der 41-Jährige am Donnerstag Beethovens fünfte Symphonie dirigierte, war schlichtweg grandios. So konnte der gebürtige Heidenheimer lediglich als Gastdirigent den frenetischen Beifall des Publikums im Großen Saal der Würzburger Musikhochschule ernten.
Der Dirigent, der in der Domstadt bereits vor drei Jahren eine Kostprobe seines Könnens gegeben hatte feuerte das Philharmonische Orchester Würzburg zu wahren Höchstleistungen an. Wie selbstverständlich legten die Philharmoniker beim Beethoven den nicht gerade einfachen Übergang vom Scherzo zum Finale hin. Mitreißend gelang auch die Temposteigerung zum Presto am Ende der Symphonie.
Erfrischend wie Quellwasser
Überdurchschnittlich gut waren Holz und Blech. Und zwar nicht nur beim Beethoven, sondern auch bei Mozarts berühmter Sinfonia concertante für Geige, Bratsche und Orchester.
Eine Freude war es zu sehen und zu hören, wie der Dirigent, der das Orchester der Bremer Hochschule für Künste leitet, für eine hervorragende Kommunikation zwischen den Solisten und dem Orchester sorgte. Solo-Bratscher Ulrich Knörzer begeisterte in allen drei Sätzen mit liebevoll gestalteten Details und kräftigem Strich, während Solo-Geiger Rainer Sonne vor allem im Kopfsatz überzeugen konnte. Im Schlusssatz gab’s bei Sonne zwar eine unüberhörbare intonatorische Unsicherheit, die aber tat dem Konzertgenuss insgesamt keinerlei Abbruch.
Ein munter aufspielendes Kammerensemble des Würzburger Philharmonischen Orchesters gab unter Stefan Geiger eine unterhaltsame Aufführung von Strawinskys lustigem Concerto in Es, das den Beinamen „Dumbarton Oaks“ trägt. Die herrlich dissonante Musik war erfrischend wie Quellwasser.
Triumph der Begeisterung
Landesjugendorchester in der Glocke
„… Seit dreizehn Jahren betreut Stefan Geiger dieses Ensemble , und er motiviert seine Musiker zu höchst beachtlichen Leistungen… Nach der Pause gefiel das Landesjugendorchester durch eine farbenreiche und in den subtilen Klangdetails sehr fein ausgearbeitete Darstellung der ‚Bilder einer Ausstellung’…“
“…Ihm [Stefan Geiger] und seinen jungen Musikern [dem Landesjugendorchester Bremen] eilt schon seit Jahren der Ruf voraus, auf technischer und qualitativer Ebene großen Orchestern in nichts nachzustehen. … Geiger wählte für seine Interpretation des 1. Satzes eine natürliche, nicht übermäßig breite Dehnung der Fermaten, wodurch ein stringenter und flüssiger Einstieg gelang. Ferner wurde Wert gelegt auf eine kontrastreiche Herausarbeitung der Dynamiken. Damit schuf sich das Orchester die wichtige Basis für eine meisterlich ausdrucksstarke Darbietung.”
… Zwei ganz andere Tonfälle der Neuen Musik waren schließlich beim Konzert mit Werken von Kaija Saariaho -composer in residence – und Clara Maïda zu erleben: In ihrem “Mutatis Mutandis” für zwölf verstärkte Streicher ließ die Französin die famosen Musiker des Ensemble Resonanz [unter der Leitung von Stefan Geiger] Klänge von schmerzlicher Schärfe exerzieren: Als würde man mit Kreide auf einer Tafel quietschen, an einer Rasierklinge lecken und auch noch Spaß haben. Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist. Stark. Dagegen schwebt Saariahos “Tag des Jahrs” für Chor und Zuspielband auf nicht minder faszinierenden, irisierend zarten Klängen daher.”
“Eine Meisterleistung, ohne Wenn und Aber. Das Landesjugendorchester Bremen (LJO) hat sich in der recht gut besuchten Glocke mit Richard Wagners “Ring” ohne Worte einer besonders anspruchsvollen Herausforderung gestellt – und ist daran gewachsen. Spielkultur und Musikalität konnten über weite Strecken selbst erfahrene Wagnerianer begeistern, denn Dirigent Stefan Geiger hat das LJO auf ein professionelles Niveau geführt. … Und Stefan Geiger selbst möchte man häufiger in Bremen erleben, denn er dirigierte souverän und anfeuernd, reduzierte bei Bedarf die Gestik auf ein Minimum, so dass er das Orchester zum gleichwertigen Partner beförderte, ohne dabei die Zügel aus der Hand zu geben – ein talentierter Orchestererzieher. Das begeisterte Publikum wusste seine Dankbarkeit lange und intensiv auszudrücken.”
„ … Stefan Geiger dirigierte das Werk mit viel Einsatz und hatte dabei das Orchester gut im Griff. … Schwelgerisch-Sehnsüchtiges dürfte sich strahlend weiten. … So geriet die Erlösung Fausts zu einem schwärmerischen Finale, ganz im Sinne der romantischen Verklärung des 19. Jahrhunderts.“
„Was für dieses Musikdrama [Liszt: Eine Faust-Symphonie] vonnöten ist, war in der Würzburger Aufführung präsent: mit Stefan Geiger ein zupackender, gut vorbereiteter Dirigent, der Sinn für den großen Atem und für die kleinen Übergänge verriet und mit dem Philharmonischen Orchester ein begeisterungsfähiger Klangkörper, der gerade bei diesem, mit Herausforderungen gespicktem Werk von exzellenten Solisten und Teamgeist profitierte.”
“… Wie sehr der junge Klangkörper (das Landesjugendorchester Bremen) unter der musikalischen Leitung von Stefan Geiger blüht, wächst und gedeiht, war jetzt in der Liebfrauenkirche zu erleben. … Stefan Geiger beflügelte das musikalische Potenzial des Orchesters und ließ es mit viel Liebe zum kleinsten Detail die bunte Vielfarbigkeit dieser Sinfonie (Mendelssohn-Bartholdy: 4. Sinfonie) ausleuchten. Von jugendlichem Ungestüm das graziöse Menuett des Andante con moto und vor allem der leidenschaftliche Tanzrhythmus des süditalienischen Saltarello, der von den ausgezeichneten Streichern und den tadellosen Bläsern mit frischer Rasanz interpretiert wurde. …”
“… Das mittlerweile etablierte und gut besuchte Jahreskonzert in der Bremer Glocke mit dem Landesjugendorchester Bremen wurde eröffnet mit Igor Strawinskys “Circus Polka” in der Fassung für Orchester. Wie von Stefan Geiger nicht anders zu erwarten, wurde rhythmisch exakt und mit einem kleinen Schuss Ironie musiziert. … Gleicher Höreindruck bot sich bei John Williams Concerto for Tuba. … Stefan Geiger lieferte mit seinem vorzüglich vorbereiteten Orchester exakt die rechte Farbe für diese Musik – glänzend und hochauflösend wie ein 70-mm-Film – und fand auch hier überzeugende Töne. … Gustav Holsts “Die Planeten” sind schwieriger zu interpretieren als man annehmen könnte. Was von Dirigent, Orchester und Klangtechnik hier erfordert wird, ist die Realisierung von Extremwerten, und zwar keineswegs nur der Lautstärke. Stefan Geiger entwickelte auch hier eine mitreißende Verve. …”
Versenkt in Beethoven
„… Stefan Geiger ergriff … ohne Wenn und Aber Partei für Erik Schumanns stark romantisierende Beethoven-Auffassung. Kuschelweich schmiegte sich unter seiner Leitung das SHMF-Orchester an den Solisten, trug ihn demütig auf Wolken. Viel schöner, wärmer, einfühlsamer kann man das nicht spielen… Nach der Pause war die weich verschlungene Biegsamkeit des Tutti hoch willkommen. Da stand mit Alexander Zemlinskys früher Orchesterfantasie Die Seejungfrau ein schillerndes Opus der Maler-Zeit auf dem Programm. … Stefan Geiger und das Festivalorchester fluteten damit mit großem Erfolg den überhitzten Saal.“
Schwelgen in schwärmerischer Ausdrucksmusik
„Schleswig-Holstein Musik Festival: Stefan Geiger dirigiert Zemlinsky und Beethoven in der Reithalle Emshorn. In einer überaus intensiven Probenphase hat Stefan Geiger mit dem Festivalorchester eine exemplarische Interpretation erarbeitet. Die 125 Ausnahmemusiker aus 29 Ländern, die auf Schloss Salzau … ihr musikalische Trainingslager aufgeschlagen haben, um mit großen Dirigenten große Musik zu studieren – sie schwelgten in Zemlinskys schwärmerischer Ausdrucksmusik.“